„Mehr das Richtige gemeinsam tun“. Dieses Motto gab Gastredner Rainer Stinner, seit 1973 Mitglied der FDP und lange Jahre Abgeordneter im Deutschen Bundestag, beim Europa-Abend des FDP-Kreisverbands im Best Western Hotel dem guten Dutzend Besuchern mit. Unter dem Titel „Zukunft ohne Merkel-Raute“ skizzierte er kritisch die politische Lage.
Erding– „Viele Bürger sind extrem unzufrieden mit der aktuellen Situation, erkennen nicht den wahren Wert von Europa. Gleichzeitig beschweren sie sich aber darüber, dass Deutschland der Zahlmeister des Kontinents sei“, so Stinner. Dabei, so der 71-jährige Unternehmensberater aus München, würde auch viel Geld aus den Niederlanden und Frankreich in die Kasse der EU fließen. Stinner sieht zudem ein großes Defizit der Bürger darin, dass deutsche Versäumnisse kaum wahrgenommen würden.
„Wir haben auch Fehler gemacht: Unsere derzeitige Regierung hält sich nicht an die Abmachungen der Rüstungsausgaben, sie äußert sich überhaupt nicht zu den durchaus diskutierbaren Meinungen des französischen Staatspräsidenten Macron über Europa, ändert nichts an der schiefen Balance zwischen Im- und Export, hat keinerlei Idee zu einer neuen Staaten-Architektur.“ Dafür würde viel zu sehr auf Nationalstaatlichkeit geachtet und „die deutsche Krämerseele gepflegt“. Doch Wohlstand allein helfe nicht: „Heutzutage kann Geschwindigkeit über Geld siegen“, sagte Stinner.
Er regte an, endlich etwas für eine gemeinsame Sicherheit zu tun und eine gemeinsame Außenpolitik mehrerer Staaten zu betreiben. Es brauche auch eine bessere Koordination deutscher Botschaften im Ausland, in der Finanz- und Wirtschaftspolitik eine europaweite Angleichung der Steuergesetze und einen wirksamen Einlagen-Sicherungsfond für Banken. Doch dagegen wehre sich die deutsche Regierung, habe keinerlei Vorschläge und blockiere zum Beispiel die Idee von Entscheidungen nach dem Mehrheits- und nicht nach dem Einstimmungsprinzip.
Stinner warnt vor dem Irrglauben, dass China sich unserer Mentalität angleichen werde. „Ich war über 14 Jahre lang sehr oft dort und weiß, dass diese Menschen nicht so leben wollen wie wir. Dafür haben sie viel klarere Visionen als wir. Wir hingegen sollten darauf achten, dass sie uns nicht bald überholen. Wir brauchen entschieden mehr Selbstbehauptung in Europa.“ Trotz einiger deutscher Alleingänge wie Nord Stream 2 oder bei der Energiewende brauche Europa den deutschen Einfluss. Deshalb sei es notwendig, zur Europawahl zu gehen, „denn trotz eher geringer Wahrnehmung gibt es derzeit kein spannenderes Thema“.
In der Diskussionsrunde tauschte man sich zur Weiterentwicklung des Brexit, zu künftigen Bedingungen beim Handel mit China und dem europäischen Bildungsmarkt aus. Copyright: FRIEDBERT HOLZ
Pressebericht im Erdinger Anzeiger vom 16.05.2019 zum Download